Trace Adkins: Ein riesengosses Stehaufmännchen

Juli 2011

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Trace Adkins hat in seinem Leben viel Pech gehabt. Sogar einen Finger musste er sich wieder annähen lassen, um weiterhin Gitarre spielen zu können. Es hat sich gelohnt.

Wie jedes Jahr, wenn Trace Adkins auf der riesigen Bühne des CMA Music Festival in Nashville an der Abendshow auftritt, ist man fasziniert von diesem mächtigen Menschen. Neben Trace Adkins wirken die Musiker seiner Band zu erst einmal nur klein und unscheinbar. Die vielen weiblichen Fans jubeln dem Star vorbehaltlos zu und schwärmen von Adkins als Sexsymbol mit Model-Status. Unsere kleine Schweizer Fan-Gemeinde ist meist erschlagen vor so viel „Mann“ und will erst mal abwarten, was da noch kommt.

  

Es kommt noch einiges. Die Shows von Trace Adkins sind voller Power und natürlich mit so einer Stimme auch meist laut und etwas rockig. Der Mann hat eine Bühnenpräsenz, die ihresgleichen sucht. Am Ende der Show sind auch unsere Schweizer Zuschauer begeistert von ihm. 

Trace Adkins, der in den Neunziger Jahren als Neo-Traditionalist gross wurde, war lange das buchstäbliche Alpha-Tier der Country-Szene. Er verfügt über einen Jahrhundert-Bariton, der klingt, als hätten sich der Schalk von Alan Jackson und die Stimmgewalt von Waylon Jennings zusammengetan. Kein Wunder, sind die Ladies hin und weg. Diese Stimme trägt Balladen perfekt, aber sie kann auch rocken – da werden dem Gstaader Zelt ein paar Extra-Heringe sicher gut tun J.

Auch dieses Jahr war Trace Adkins wieder einer der ganz Grossen am CMA Music Festival, und er hatte die 50‘000 Zuschauer fest im Griff. In all den Jahren hat sich der bald 50-Jährige kaum verändert: Er tritt immer noch mit seinem schwarzen Cowboy- Hut auf, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, die Jeans deutlich getragen und das T-Shirt mit einer für Europäer meist unverständlichen Message drauf.

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In Nashville ist Trace Adkins zwar nicht so angesehen wie z.B. ein Tim McGraw oder ein Dirks Bentley,  er ist aber ein sicherer Wert, hat schon mehrere Awards und diverse Multiple-Platin-Auszeichnungen bekommen und ist aus der Country Music Szene nicht wegzudenken. Doch nicht nur in der Musikszene hat er schon vieles erreicht. Er war auch schon als Schauspieler und als Sprecher für Comic-Verfilmungen und Werbespots tätig. Ausserdem ist er Autor des augenzwinkernden Buches „A Personal Stand: Observations an Opinions from ein Freethinking Roughneck“, was auf Deutsch etwa so viel bedeutet wie: „Meine Sicht der Dinge: Gedanken und Betrachtungen eines Freidenker-Büezers“. Sogar bei Donald Trump war Trace Adkins schon zu Gast. Auf seiner Homepage lässt sich Adkins zu dieser Vielseitigkeit so zitieren: „Ich habe keine Angst davor, etwas anderes auszuprobieren als das, was ich eh schon kann. Ausserdem suche ich mir die Sachen, die ich mache, nicht danach aus, was sie mir kommerziell bringen, sondern danach, wie viel Spass ich daran habe.“

Trace Adkins stammt aus dem 900-Seelen-Dorf Sarepta im Bundesstaat Louisiana. Die musikalischen Gene hat er vermutlich von seinem Grossvater geerbt, einem Kirchenmusiker. Der Vater brachte dem Sohn das Gitarrespielen bei, und in der Schule schloss sich Trace einem Gospelchor an. Später, während des Studiums an der Louisiana Tech University, begann er auch Football zu spielen. Nachdem er schon einen Autounfall mit zwei gebrochenen Armen, einem gebrochenen Bein und einer schwer beschädigten Nase überstanden hatte, holte er sich beim Football noch eine üble Knieverletzung. Damit war die Footballkarriere zu Ende. Auch die Uni-Karriere dauerte nicht bis zum offiziellen Abschluss: Adkins brach das Studium ab, um auf einer Ölplattform zu arbeiten. Doch seine Pechserie hatte auch dort kein Ende: Als er mit einem Messer ein Fass öffnen wollte, schnitt er sich den kleinen Finger ab. Er flehte die Ärzte an, zu versuchen, ihn wieder anzunähen, damit er weiterhin Gitarre spielen könnte. Sie haben ihren Job gut gemacht.

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In den frühen Neunzigerjahren zog Trace Adkins nach Nashville, um es als Musiker zu versuchen. Vielleicht hatte er sich überlegt, dass ein Leben als Sänger weniger gefährlich sei als das eines Footballspielers oder „Roughneck“ auf einer Ölplattform. Entdeckt wurde Adkins auf ganz klassische Art: Ein Mitarbeiter von Capitol Records hörte ihn in einer Bar und bot ihm einen Plattenvertrag an.

Zwei gute Entscheidungen. Schon „Dreamin’ Out Loud“, das Debut-Album, das 1996 erschien, brachte gleich mehrere Songs in die Charts. Doch 2001 ging seine Pechsträhne weiter: Zuerst wurde er wegen Alkohol am Steuer zu elf Monaten Gefängnis verknurrt (was eigentlich nicht Pech war, sondern Dummheit). Allerdings wurde er schon nach zwei Tagen wieder laufen gelassen. Danach wurde er in einem Unfall mit einem Traktor so schwer verletzt, dass er eine laufende Tournee abbrechen musste, und schliesslich stand noch ein Alkohol-Entzugsprogramm an.

Musikalisch lief es Trace Adkins zu dieser Zeit hervorragend. Seine Mischung aus krudem, augenzwinkerndem Honkytonk-Sound und Südstaaten-Rock-Elementen kam beim Publikum und bei den Radiostationen gut an. Eine Tour mit Martina McBride und ein Duett mit seinem Kumpel Blake Shelton („Hillbilly Bone“) zementierten Adkins’ Ruf als fixen Wert in der Szene: Der Song wurde ein Top-Hit und brachte den beiden dem ACM-Award für den Gesangsevent ein. Noch dazu wurde Adkins kurz darauf von den Lesern (oder wohl eher den Leserinnen) der Zeitschrift „Country Weekly“ zu „Country’s Sexiest Man“ gewählt.

Letztes Jahr gewann Adkins auch eine etwas ernsthaftere Auszeichnung, den „Artist Humanitarian Award“ der Radiohörer. Damit wurde er für diverse Engagements geehrt: Er hatte sich für verwundete Kriegsveteranen eingesetzt, Geld für einen schwer verletzten Polizisten aus Dallas gesammelt und ein Erinnerungskonzert für die Opfer des American-Airlines-Flugs 93, der an 9/11 in Pennsylvania abstürzte, gespielt.

Doch die Schicksalsschläge ziehen sich nach wie vor als roter Faden durch das Leben von Trace Adkins. Zwar war er selber nicht im Tourbus, als dieser offenbar eine Stopplinie überfuhl und zwei Männer in einem kleinen Pickup-Truck tötete. Er war zum Glück auch nicht zu Hause, sondern sass in einem Flugzeug nach Alaska, als am 4. Juni das Haus in Brentwood, Tennesse, das er mit seiner dritten Frau und fünf Kindern bewohnte, in Flammen aufging. Auch von seiner Familie geschah niemandem etwas.

Wir haben das abgebrannte Anwesen auf unserer Tour gesehen – ein trostloser Anblick. Zumindest für eine Weile wird es uns und allen Fans von Trace Adkins noch in Erinnerung bleiben: Der Video zur ersten Single von Adkins’ neuem Album, das in Amerika Anfang August erscheint, wurde hier gedreht. Als hätte Adkins geahnt, was passieren würde, erzählt „Just Fishin’“ eine rührende Geschichte von einem Vater, der mit seiner kleinen Tochter fischen geht. Während sie meint, sie täten nichts als fischen, denkt der Vater darüber nach, dass  genau in solchen Momenten Erinnerungen entstehen, die einem ein Leben lang bleiben. Das kleine Mädchen im Video wird von Trace’ jüngster Tochter Trinity gespielt. Sieht man sich das Video an, nachdem man das abgebrannte Haus gesehen hat, bekommt man Gänsehaut.

Wir alle wünschen Trace, seiner Frau und den fünf Kindern, dass sie bald wieder ein schönes Zuhause finden. Auch wenn sich der grosse Sänger auf bewundernswerte Art immer wieder aufgerappelt hat: Langsam wäre es Trace Adkins zu gönnen, dass er nicht dauernd Stehaufmännchen spielen muss, sondern sich ein bisschen auf seinen Lorbeeren ausruhen kann.

 

Diskografie

1996 Dreamin' Out Loud Capitol
1997 Big Time Capitol
1999 More… Capitol
2001 Chrome Capitol
2003 Greatest Hits Collection, Volume I Capitol
2003 Comin’ on Strong Capitol
2004 Songs about me Capitol
2006 Dangerous Man Capitol
2006 Honky Tonk Badonkadonk Capitol
2007 American Man: Greatest Hits Vol. II Capitol
2008 X Capitol
2010 The Definitive Greatest Hits: Til the Last Shot's Fired Capitol
2011 Proud to be Here LCT